Fest der Toten und Beginn des Winters 

„Was ist der schönste Baum ohne seine Wurzeln, die bis tief in die dunkle Erde reichen.“ (Alfred Zenz jun.)

Wir schlendern verliebt über den Friedhof des nahegelegenen Schlosses. Umhüllt von tiefer, dunkler Nacht setzen wir vorsichtig unsere Schritte inmitten dieses mystischen, unheimlichen Ortes. Die Atmosphäre ist aufgeladen, wie elektrisch. Plötzlich sehe ich etwas aus dem Augenwinkel in naher Entfernung an uns vorbeihuschen. Der Atem stockt – ein Tier? ein Kind, das uns erschrecken möchte?…..oder gar so etwas wie ein Geistwesen?!

Es war nicht November, sondern Anfang Juli bei einem Friedhof eines alten, englischen Spukschlosses in der Nähe von London. Wir machten damals mit dem Handy ein Foto der Gräber – das Titelfoto – das eine erstaunliche Anzahl an Orbs zeigt. Spirituell betrachtet sind Orbs Erscheinungen von Geistwesen. Für uns war damals die Anders-Welt, die Geist-Welt sehr, sehr nahe.

So nahe wie sie uns in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November sein kann, wenn bei uns der Toten gedacht wird.

 

Wie die Kelten das Jahr wahrnahmen

Das keltische JahrDas keltische Jahr war zutiefst mit der Natur verwoben und orientierte sich an der Sonne und den Mond. Die Sonnenfeste bezeichneten die Sonnenwenden sowie die Tagundnachtgleichen während die Mondfeste den Mondrhythmen unterlagen und zu Voll- oder Neumond gefeiert wurden.

Für die Kelten war das Jahr dadurch in 4 Zeiträume gegliedert, die von bestimmten (Natur)Gottheiten beherrscht wurden und ganz bestimmte Qualitäten aufwiesen.

Die Feiertage zum Anfang und zum Schluss dieser Zeiträume stellten die Grenzen zwischen diesen Götterreichen dar. Während dieser magischen Übergangszeiten war die alltägliche Ordnung aufgehoben. Besonders zu den Mondfesten herrschte Wirbelndes Chaos wo die „Jenseitigen“ die Welt der Menschen heimsuchten und die Menschen sehr leicht mit der „Anders-Welt“ verkehren konnten.

 

Der Herrschaftsbeginn des Schwarzen Gottes Samhain

Am 11. Neumond des Jahres tritt der Schwarze Gott Samhain zusammen mit der Totengöttin Morrigan die Herrschaft an.

Dieser Neumond signalisiert den Beginn der dunklen Jahreshälfte und wird auch als „Vollmond des Jägers“ (engl. „hunters moon“) bezeichnet. Denn Samhain galt als Schlächter und Jäger. Er erlegt den Sonnenhirsch und verschleppt dessen Gattin, die Vegetationsgöttin, in die Unterwelt. Diese hütet von dort an als Totengöttin die Seelen der Verstorbenen sowie die schlafenden Samen der Pflanzen.

Für unsere naturbezogenen Vorfahren bezeichnete dieser Zeitpunkt auch den Beginn des Jahres.

Für sie war die Dunkelheit der Ursprung des Lebens, so wie ein Kind im dunklen Schoß der Mutter heranwächst, bevor es ins Licht dieser Welt geboren wird, so wie ein Same im Dunkeln der Erde keimt, bevor er daraus hervortritt.

 

 

Der Tod war für die Kelten nichts Negatives und so fürchteten sie ihn auch nicht. Er war ein Teil der Natur und jedes Ende verkörperte gleichzeitig einen Anfang. So konnte ein Kelte sogar Geld borgen mit dem Bescheid, dass er die Schulden im nächsten Leben bezahlen würde.

Die Idee, dass das Dunkle bzw. der Tod schlecht oder gar böse sei entstand wohl zur Zeit des Mittelalters, wo die Kirche heidnische Naturgötter wie z.B. Samhain mit dem Teufel gleichsetzte und die Dunkelheit mit dem Bösen.

 

Was das Fest Samhain für unsere Vorfahren bedeutete

Samhain heißt übersetzt so viel wie „Vereinigung“ bzw. „Versammlung“. Es ist zusammen mit Imbolc (1. Februar, Maria Lichtmess), Beltane (1. Mai, Walpurgis) und Lughnasad (1. August, Augustfeuer) eines der vier großen irisch/keltischen Feste. In Wales wurde es „nos calan gaeaf“ (Nacht des Winteranfangs) genannt und war einer der „drei Geisternächte“.

Unter dem römisch-kirchlichen Zeitverständnis wurde es kalendarisch auf den 1. November festgesetzt. Es wurde beginnend am Vorabend in der Nacht zum 1. November und an diesem Tage gefeiert.

Als „Schwellenfest“ waren an diesen Tagen die Schleier zwischen den „Welten“ sehr dünn, was die Samhain-Nacht zu einer „Begegnung“ zwischen den Lebenden und den Toten macht. Die Geister besuchen die Welt der Sterblichen und Sterbliche können sich an diesen Tagen in der Welt der Geistwesen verirren. Es wurde deshalb geraten in dieser Nacht besser in seinem Haus zu bleiben.

Für unsere Vorfahren bedeutete es auch, dass sich ab jetzt Mensch und Vieh in die Geborgenheit von Haus und Stall zurückziehen. Alle Kräuter sind gesammelt und bevorratet. Alles was jetzt noch „draußen“ ist, ist puca, ist tabu, und gehört den Naturgeistern. Das Wort Samhain ist übrigens auch mit dem Wort „sammeln“ verwandt.

Da es eine Zeit ist, wo die Lebenskraft schwindet, vermieden des die Menschen damals Geschlechtsverkehr zu haben, um keine schwachen oder gar kranken Kinder zur Welt zu bringen.

 

Die magischen Pflanzen und Bräuche Samhains

In dieser magischen Zeit stehen die Tore zur „Anders-Welt“ offen. Zauberer (Schamanen) verkehren mit den Jenseitigen, es wird hellgesehen, Tote beschworen und orakelt. Wichtige Schutzpflanzen dieser Schwellenzeit waren Knoblauch, Bilsenkraut und die Wurzel der Engelwurz – bei sich getragen, konnte einem nichts passieren.

In bestimmten Gebieten legten Verliebte 2 Haselnüsse ins Feuer. Wenn die Nüsse nebeneinander ruhig verglühten war das ein gutes Zeichen und die Liebe wurde von den verstorbenen Vorfahren gesegnet. Entsprechend war es kein gutes Omen, wenn sie zerplatzten.

Tollkirsche

 

Eine der bedeutsamsten Pflanzen dieser Zeit war die gefährlich, giftige Tollkirsche (Atropa belladonna). Vermutlich wurde mit ihrer Hilfe die berühmte „Flugsalbe“ der „Hexen“ hergestellt um sich in Trance und Ekstase zu versetzen und magische Riten zu vollziehen.

In den keltischen Gegenden Britanniens wird noch immer ein Samhain-Feuer entfacht. Unter anderem verbrennt man eine Strohpuppe, die die Vergehen und Verfehlungen der Menschen darstellt.

 

Was Samhain mit Halloween und Allerheiligen gemeinsam hat

Halloween

engl. All Hallow´s Eve, heißt übersetzt so viel wie „heiliger Abend“ oder „der Abend vor Allerheiligen“. Es benennt ursprünglich die Volksbräuche am Abend und in der Nacht vor dem Hochfest Allerheiligen, vom 31. Oktober auf den 1. November.

Es markierte das Sommerende, den Einzug des Viehs in die Ställe und die Rückkehr der Seelen Verstorbener zu ihren Heimen. Begangen wurde es mit Freudenfeuern auf Hügeln (engl. „bonfires“) und manchmal mit Verkleidungen, die der Vertreibung böser Geister dienten.

In Irland wurden früher Kohlrüben ausgehöhlt und mit einer Kerze beleuchtet. Die hineingeschnitzte Fratze sollte böse Geister abschrecken, andere meinen es diente als Wegleuchte für die Seelen Verstorbener. Da in den USA der Kürbis weit verbreitet und zudem größer war, ersetzte dieser die Kohlrüben und ist seitdem das Markenzeichen von Halloween.

 

Die Sage von Jack O´Lantern

HalloweenKürbisDer Sage nach lebte in Irland der Bösewicht Jack Oldfield. Dieser fing durch eine List den Teufel ein und wollte ihn nur freilassen, wenn er Jack O fortan nicht mehr in die Quere kommen würde. Nach Jacks Tod kam er aufgrund seiner Taten nicht in den Himmel, aber auch in die Hölle durfte Jack natürlich nicht, da er ja den Teufel betrogen hatte. Doch der Teufel erbarmte sich und schenkte ihm eine Rübe und eine glühende Kohle, damit Jack durch das Dunkel wandern könne. Diese Rübe, später der Kürbis, war seither als Jack O´Lantern bekannt.

Halloween war ursprünglich im katholischen Irland verbreitet. Die irischen Einwanderer in den USA pflegten ihre Bräuche in Erinnerung an die Heimat und schmückten sie aus. Heute gehört es zu einem der wichtigsten Volksfeste in den USA und Kanada.

 

Allerheiligen

ist ein christliches Fest, zu dem „aller Heiligen“ gedacht wird. Entstanden ist es, als am 13. Mai im Jahre 610 Papst Bonifatius IV das heidnische Pantheon in Rom der Jungfrau Maria und allen Märtyrern weihte. Zunächst wurde das Fest am Freitag nach Ostern gefeiert, weil es inhaltlich stark von Ostern geprägt war. Hundert Jahre später weihte Papst Grogor III eine Kapelle in der Basilika St. Peter „allen Heiligen“ und legte für die Stadt Rom den Feiertag auf den 1. November. Im frühen christianisierten Irland wurde Allerheiligen noch im Frühjahr gefeiert.

Ein Symbol für Allerheiligen ist der Allerheiligenstritzel. Von Österreich bis Bayern schenken ihn die Tauf- bzw. Firmpaten ihren Patenkindern. Im 19. Jahrhundert wurden nach der Darstellung Peter Roseggers die Armen mit dem Allerheiligenstritzel beschenkt. Für die Paten und Firmkinder, die in unbegüterten Verhältnissen auf dem Land aufwuchsen, bedeutete das Geschenk einen „Ausgleich zu den üblichen Tagen des Sparens.“

Ob und wie jetzt die Feste Halloween, Allerheiligen und Samhain in Verbindung stehen, darüber – richtig – streiten sich die Geister ;-).

Diverse Interpretationen möchte ich daher gerne Dir selbst überlassen.

HerbstfärbungSamhain 

Wie Du diese heiligen Tage kraftvoll für Dich nutzen kannst

Eines ist für mich jedenfalls gewiss – es ist eine sehr kraftvolle Zeit, die ganz viel Potential in sich birgt.

Es ist eine Zeit, die von einer ganz speziellen Energie geprägt ist. Laubbäume lassen ihre Blätter fallen und gehen in die Vegetationsruhe, viele Pflanzen ziehen sich in das Dunkel der Erde zurück um dort zu überwintern, Tiere bereiten sich auf den Winterschlaf vor, die Luft wird kälter und dichter.

Als Menschen sind wir Teil der Natur und die Kräfte von Erde und Kosmos zu dieser Zeit wirken auch dementsprechend auf uns ein.

  • Die Anerkennung und Wertschätzung Deiner Dunklen Seite

Indem Du den Mut hast, Deiner Dunklen Seite, Deinen Dämonen zu begegnen und sie als einen Teil von Dir anzunehmen beginnst Du „ganz“ zu werden. Dann transformiert sich das, was vorher Leiden und Angst war, plötzlich in kraftvolle Wut oder zu einem hingebungsvollen „zu-Dir-selbst-stehen“.

 

  • Innere Einkehr, zu Dir kommen

So wie die Natur sich zurückzieht, unterstützt Dich diese Zeit sehr dabei, wenn es darum geht in Dich hineinzuhören, nach innen zu schauen oder zu meditieren.

  • den Verstorbenen gedenken

Vor allem, wenn Du einen lieben Menschen verloren hast, unterstützt Dich diese Zeit dabei in liebevoller Verbindung mit ihm zu treten und gegebenenfalls Trauer in Vertrauen zu verwandeln.

  • Zeit der Transformation – Ende und Neubeginn

Als Ende und Anfang des keltischen Jahres ist es eine Zeit für rituelle Handlungen – um Altes loszulassen und dem Neuen Raum zu geben. Dazu kannst zu beispielsweise ein Feuer entfachen, räuchern oder gar bei einem Schwitzhüttenritual oder einer Pflanzengeister-Trance mitmachen.

Viel Klarheit, Kraft und Besinnlichkeit wünsche ich Dir beim Erleben der heutigen Nacht und der kommenden Tage.

 

Alfred Zenz jun. – Der Seelengärtner